Nein, ehrlich, ich will hier raus. Deutschland macht mich unglücklich. Überall abgeklärte Altlinke, die an nichts mehr glauben – und triumphierende Neurechte, die endlich einmal den kalten Wind der Veränderung wehen lassen möchten. Wahlplakate, die die Krise beschwören: »Jeden Tag 1000 Arbeitsplätze weniger«, »Alle 15 Minuten eine Firmenpleite«. Da kann man nur depressiv werden. Und es ist eine drittklassige Depression.

Wenn schon schwermütig, dann mit Stil. In einem Land, wo man etwas von der Sache versteht. Finnland. »Der ärgste Feind des Finnen ist die Melancholie. Trübsal, grenzenlose Apathie«, schreibt Arto Paasilinna in seinem Roman Der wunderbare Massenselbstmord, »aber die Finnen sind ein Volk von Kämpfern. Nachgeben gilt nicht.« Nationaler Anti-Melancholie-Tag ist Johannis, das Mittsommerfest. Wer die Orgien zu diesem Anlass erlebt hat, begreift, wie wirksam die Finnen gegen das Seelendunkel anfeiern: mit zahllosen Feuern am Seeufer, mit Lachs, mit Schnaps. »Und jetzt bringen wir das Orchester an den See«, sagte der Bruder meiner finnischen Freundin, ein Zahnarzt aus Helsinki, und fuhr seinen Mercedes ins Wasser, wo er die Stereoanlage voll aufdrehte: La Traviata. Alle Gebüsche enthielten vergnügte Paare, nicht immer die, die zusammen zum Fest gekommen waren.

So eine Nacht weist die Schwermut in ihre Schranken. Für die anderen 364 brauche ich eine neue Sauna, Wodka und Würstchen für den Saunaofen. Post bitte an das Hauptpostamt Hauro. Aber lieber keine Post.