Freitag, 12. Oktober 2007

Deutsche Bevölkerung schrumpft um eine Million

Für das Jahr 2011 hat der Bundestag eine neue Volkszählung beschlossen. Dieses Mal kommt die Kritik daran nicht von den Bürgern, sondern von Städten und Gemeinden. Wir sagen schon jetzt, was vermutlich herauskommen wird und warum vor allem Kommunen um ihre Pfründe fürchten.

Im Bundestag war am Donnerstag zu sehen, wie sich Deutschland verändert hat. Am Abend wurde das Gesetz für eine Volkszählung im Jahr 2011 mit den Stimmen von Union und SPD angenommen – und es gab keine hitzigen Debatten, keinen Aufschrei, sondern nur ruhige Detailkritik von der Opposition. In den Achtzigerjahren hingegen hatte die letzte Volkszählung eine riesige Protestwelle gegen den „Überwachungsstaat“ ausgelöst.Gelassenheit von heute wegen Panik von damals

Wenn aber heute schon für die Bestellung eines Katzenkratzbaums geheime Bankdaten ins Internet geschickt werden, ist die Erfassung von „Tag der Geburt“ oder „Anzahl der Arbeitslosen je Anschrift“ kein Aufregerthema mehr. Doch für die Gelassenheit von heute ist auch die Panik von damals verantwortlich. Sie sorgte für einen Datenschutz, durch den sich die neue Volkszählung stark von der alten unterscheidet.

Nach dem beschlossenen „Zensusvorbereitungsgesetz“ werden 2011 die meisten Angaben nicht neu erfragt, sondern aus vorhandenen Daten bei Meldebehörden oder der Bundesagentur für Arbeit gewonnen. Nur sechs Millionen Bürger sollen zur Absicherung der Statistik zusätzlich direkt angesprochen werden. Und niemand muss fürchten, bei alten Schummeleien erwischt zu werden. Wenn beim Datenvergleich auffällt, dass Frau X zwei Hauptwohnsitze hat, wird in der Statistik zwar einer gestrichen, aber die Meldebehörden erfahren nichts davon. Denn es gelten die in den Achtzigern verankerten Datenschutzgrundsätze der Trennung zwischen Statistik und Verwaltung sowie der Anonymität.Kritik von Datenschutzexperten

Dass die Volkszählung trotzdem von den Grünen kritisiert wird, hat denn auch ganz andere Gründe als damals. „Wir wollen nicht noch mal Achtzigerjahre spielen“, sagte ihre innenpolitische Sprecherin Silke Stokar gegenüber WELT ONLINE. Vielmehr findet die Datenschutzexpertin, „dass eine bundeseinheitliche Erhebung und Qualitätssicherung nicht ausreichend gewährleistet ist“. Stokar prophezeit: „Dieses Mal wird der Volkszählungsboykott nicht von den Bürgern ausgehen, sondern von den Städten und Gemeinden.“

Das geht so: Alle Fachleute vermuten, dass die Volkszählung eine deutlich kleinere Bevölkerungszahl ergeben wird – etwa weil doppelte Hauptwohnsitze herausgefiltert werden. Wir werden 2011 wohl gut eine Million weniger sein, als wir bisher dachten. Dann aber würden in manchen Städten die von der Einwohnerzahl abhängigen Finanzzuweisungen nach unten korrigiert. Ebenso manche Bürgermeister-Gehälter. Daran hat in kommunalen Verwaltungen natürlich niemand ein Interesse.

Sorge um kommunale Quertreiberei

Daher befürchten die Grünen und die sich ebenfalls enthaltende FDP kommunale Quertreiberei bei der Volkszählung. Sie verlangen, dass es für die Abfrage aus den oft schlecht gepflegten Melderegistern klarere Vorgaben für die Kommunen geben sollte. Darauf aber, so Silke Stokar, habe die Regierung verzichtet, um das Gesetz nicht durch den Bundesrat schicken zu müssen, wo erhebliches Kompetenzgerangel zu erwarten war.

Zudem kritisiert die FDP, dass es in einem Punkt doch zu einer Durchlöcherung der Anonymität kommen könnte. Weil auch kleinteilige Vermessungsdaten zu Gebäuden berücksichtigt werden sollen, könne es eventuell möglich werden, einzelne Wohnungen genau zu identifizieren und damit zu erfahren, wer darin wie lebt. Daher forderte die FDP in einem Entschließungsantrag, dass die Regierung wesentlich genauer darlegt, wie sie die Vermessungsdaten verwenden und aufschlüsseln will.

Immerhin hierzu hat die Regierung noch Gelegenheit: Denn nach dem beschlossenen „Zensusvorbereitungsgesetz“ kommt 2008 das „Zensusanordnungsgesetz“. Darin sollen die Details geregelt werden für die von allen Fachleuten dringend geforderte Erneuerung unseres statistischen Selbstbildes.

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